Spiegel berichtet über McKinsey-Prognose: „Deutschland könnte 2021 zum Elektroauto-Marktführer werden“
4. März 2020

Autohäuser als Multiplikatoren für Intermodalität

 
Für viele Fahrten ist die Benutzung eines Lastenfahrrads sowohl ökonomisch wie auch gesundheitlich vorteilhaft.

Der Autor auf dem Weg zum Einkauf

Die Zukunft unserer Mobilität liegt in einem Umstieg auf nachhaltige, effiziente und kundenfreundliche Verkehrsmittel oder deren Kombination („Intermodalität“), insbesondere für den täglichen Arbeitsweg, um Stress, Zeit, Geld und Emissionen zu sparen.

Der einzelne Verkehrsteilnehmer, und das sind in der Mehrheit sowohl in der Stadt als auch auf dem Land nach wie vor Autofahrer, ist unverhältnismäßig oft vor allem daran interessiert, das Auto n i c h t gegen Fahrrad, ÖPNV oder eine Kombination davon einzutauschen. Als Multiplikator für Individualmobilität erleben wir diese Dilemmata der Fortbewegung tagtäglich in unseren Autohäusern. Deshalb sind Autohäuser die idealen Change Maker. Wir können helfen, unsere Kunden in ihrer Rolle als Autofahrer dafür zu sensibilisieren, stärker über das eigene Mobilitätsverhalten nachzudenken.

Ein bewusst gestaltetes Mobilitätsverhalten trägt sofort zur Eindämmung des Klimawandels bei. Jeder mobile Bürger, der sich mit Bedacht auch nur bei einer kleineren Anzahl seiner regelmäßigen Mobilitätsentscheidungen für eine nachhaltigere Lösung entscheidet, reduziert sofort seine CO2-Emmissionen. Insgesamt werden weniger Autofahrten dann zu einem kleineren Bestand an Fahrzeugen führen. In unserem Autohaus Golbeck erleben wir jeden Tag die wirtschaftlichen Widersprüche aus Fahrzeugbesitz und hohen Grundkosten sowie niedriger Laufleistung. Wenn wir Autohäuser in die Lage versetzt werden, flächendeckend über genau diese Dilemmata aufzuklären und zugleich Alternativen anbieten, wären wir in einer Stadt wie Berlin umgehend in der Lage, eine sofortige Entlastung unserer Verkehrsinfrastruktur bei gleichzeitiger Verbesserung des Lebensgefühls aller Bürger zu erreichen, einfach indem wir helfen, die Ungleichverteilung des Stadtraums zwischen Menschen mit und ohne Auto zu reduzieren. Bisher enden entsprechende Beratungsgespräche, die wir in der Branche nicht umsonst auch Verkaufsgespräche nennen, fast immer mit der Entscheidung zur Anschaffung eines Gebraucht- oder Neuwagens. Wirtschaftlichkeitserwägungen stehen dann zumeist hinter dem Freiheitsversprechen des eigenen Autos zurück, auch und gerade weil wir als Autohäuser nicht über intermodale Alternativen aufklären.

Natürlich, das Auto nimmt aktuell weiter in seiner Bedeutung ab, wird aber auch in absehbarer Zukunft eine wichtige Rolle im Individualverkehr spielen und womöglich in dieser wieder zulegen, wenn autonomes Fahren ins Spiel kommt. Gleichzeitig werden für andere Fortbewegungsmittel mehr Infrastrukturen und finanzielle Anreize geschaffen, zum Beispiel durch den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, mehr und besseren Fahrradwegen, vielleicht auch eine City-Einfahr-Steuer wie in London und die steuerliche Besserstellung von nachhaltigen Verkehrsmitteln, zum Beispiel mit einem Mobilitätsbudget.

Jeder Bürger der über seine Rolle als verantwortungsvoller Teilnehmer im Straßenverkehr nachdenkt, sollte daher bei der Wahl seines Verkehrsmittels, genau überlegen, welches Fahrzeug er zu welchem Zeitpunkt verwendet. Die Wahl zwischen ökologisch verantwortungsvollen Vehikeln und vermeintlich komfortablen (Kraft-) Fahrzeugen ist dabei vor allem auf der Kurzstrecke ständig neu zu hinterfragen. Bis zuletzt hatten wir dabei oft nur die Wahl zwischen öffentlichem Nahverkehr und privatem PKW mit konventionellem Antrieb.

Inzwischen gibt es zwar eine breite Palette an Elektroautos, gleichwohl wurden in Deutschland im Jahr 2019 nur ganze 63.300 PKW von 3,6 Millionen Neuzulassungen als reine Elektrofahrzeuge zugelassen. Gerechnet auf diese Stückzahl ist das ein verschwindend geringer Wert, obwohl das politisch definierte Ziel für unser Jahr 2020 einmal bei 1 Million Einheiten gelegen hat. Dazu kommt der Knackpunkt der Stromerzeugung. Reale Emissionseinsparungen von Elektrofahrzeugen hängen entscheidend von der Art der Stromerzeugung ab. Gerade in Deutschland mit seinem hohen Anteil an Kohleverstromung im Energiemix, reicht es also nicht, sich „nur“ für ein Elektroauto zu entscheiden.

Der Thinktank „Agora Energiewende“ weist daher darauf hin, dass die Verkehrswende auf zwei Entwicklungen aufbauen muss. Auf „der Mobilitätswende, die Mobilität mit weniger Verkehrsaufkommen ermöglicht, und der Energiewende im Verkehr, die dafür sorgt, dass der Energiebedarf im Verkehr immer stärker durch Erneuerbare Energien gedeckt wird. Eine solche Strategie steigert auch die Lebensqualität: So machen Elektroautos und neue Mobilitätsangebote die Städte leiser und sauberer, da sie deutlich weniger Lärm und klassische Luftschadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide verursachen.“

Bewusst entscheiden: In einer beschleunigten Welt, in der sich Elektroautos als echte Mobilitätsalternative nur ganz langsam zu einem echten Massenmarkt entwickeln, wird es noch für viele Jahre auf unsere „bewussten Mobilitätsentscheidungen“ ankommen. Das bedeutet, wir müssen uns als nachhaltig denkende Bürger an jedem Tag und für jede einzelne, geplante Fahrt ganz bewusst für das jeweils ressourcen-schonendste Beförderungsmittel entscheiden.

Natürlich muss die Verkehrswende auch politisch gestaltet werden. Ohne Frage können Bürger sich immer nur im Rahmen der örtlich jeweils vorhandenen Verkehrsinfrastrukturen (um-) entscheiden, welche Mobilitätsform zum jeweils richtigen Zeitpunkt (aus ökologischen Gesichtspunkten) gerade auszuwählen ist. Dabei spielen viele Entscheidungen sowohl der Kommunal- (lokale Geschwindigkeitsbegrenzungen | Parkplätze | City Maut | u. a.) als auch der Landes- und Bundespolitik zusammen genauso wie juristische Entscheidungen (Dieselfahrverbote). Aber nichts kann darüber hinwegtäuschen: Intermodalität bietet einen großen Gestaltungsspielraum.

Im Kern etikettiert die Definition von Multimodalität nichts weiter als die Nutzung mehrerer verschiedener statt nur einer Mobilitätsform. Ein gutes Beispiel ist der Berufspendler, der innerhalb einer Woche für seinen immer gleichen Arbeitsweg mehrere Transportmittel einsetzt. Bei schönem Wetter steigt er Montag und Dienstag aufs Fahrrad, während an den nachfolgenden Regentagen die Straßenbahn angesagt ist. Am Freitag steht nach der Arbeit noch der Wochengroßeinkauf an, weshalb dieses Mal das eigene Auto zum Einsatz kommt. Damit verhält sich der multimodale Nutzer also wie viele Pendler in Deutschland.

Gleiches gilt auch für eine Sonderform: das intermodale Reisen, das unser Mobilitätsverhalten gerade in der jüngeren Vergangenheit sogar ein Stück weit revolutionieren konnte. Intermodal umbeschreibt die Nutzung mehrerer Verkehrsmittel auf einer Reise. Ein klassisches Beispiel ist eine Zugfahrt, für die der Reisende vor Fahrtantritt mit dem Fahrrad von Zuhause bis zum Bahnhof fährt und entweder das Bike dort parkt oder im Zug zum Zielort mitnimmt. Nicht selten kommen auf einer solchen intermodalen Reise auch drei oder vier verschiedene Verkehrsmittel zum Einsatz. Kombinationen aus Klapprad, Zug, Mietwagen, Taxi oder Bus sind möglich, für manche sind sie alltäglich.

Junge Städter und First Mover nutzen heute schon besonders viele unterschiedliche und teilweise nachhaltigere Mobilitätsangebote und kombinieren diese: Mit dem Leihfahrrad zur Bar, mit dem Gemeinschaftstaxi zurück; mit dem eigenen oder geliehenen Elektroroller zum Bahnhof, dann mit dem Fernverkehrszug weiter; mit dem Klappfahrrad zum Bus, weiter mit der S-Bahn und am Ziel wieder mit dem Klappfahrrad zur Arbeitsstelle.

Auf dem Weg in diese Zukunft der Mobilitätskombinationen sind Hürden abzubauen, ist Wissen zu schaffen und wir müssen alle zusammen Überzeugungsarbeit leisten. Auf der einen Seite sind Autohäuser für diese gesamtgesellschaftliche Transformation heute noch nicht bereit. Auf der anderen Seite gibt in der notwendigen gesellschaftlichen Breite derzeit keine Change Maker, die diese wichtige Vernetzungs- und Konzertierungsaufgabe alternativ übernehmen könnten. Dort wo die Mehrheitsgesellschaft in ihrem Mobilitätsverhalten erreicht werden soll, sind wir Autohäuser daher die unerlässlichen Gestalter der Verkehrswende. Die dringend notwendige Überzeugungsarbeit vor Ort kann nur von unserer Branche geleistet werden. Wir Autohäuser verfügen in der Fläche über die ausdifferenzierteste Struktur aller Mobilitätsdienstleister – in der Kürze der noch verbleibenden Zeit (geophysikalische Kippfaktoren; große Transformation) sind wir als Transformationsagenturen daher unverzichtbar.

Als Pioniereinheit werden wir uns im Autohaus Golbeck auf diesen Weg zur Verkehrswende machen, weil unsere zentrale Berliner Innenstadtlage im Friedrichshain dazu passt, zunächst First Mover im urbanen Zentrum zu erreichen. Um diese Aufgabe jedoch ernsthaft umsetzen zu können, müssen wir Handlungsmechanismen des Dritten Sektors adaptieren, der Sphäre zwischen Markt und Staat.