Die Verantwortung des Mittelstandes für die Verkehrswende
1. Dezember 2017

Autohäuser als Multiplikatoren für Zukunftsmobilität

Die Bundestagswahl 2017 ist vorbei und alles ist wie vorher. Erste Prognosen flimmern über die Bildschirme, Koalitionsoptionen werden gehandelt und Meinungsbilder prominenter Politiker werden eingeholt. Aber Politikkonzepte die den sozialen Zusammenhalt in einer zunehmend heterogenen Gesellschaft radikal in den Mittelpunkt stellen, werden wieder nicht mehrheitsfähig sein. Genauso wenig ist abzusehen, wie eine mögliche Jamaika-Koalition ernsthaft die ökologischen und ökonomischen Herausforderungen angehen könnte, die durch die große Transformation auf unser Land zukommen.

Vielmehr schimmert am Horizont bereits dunkel die Drohung einer weiteren großen Koalition. Die narkotisierende Ununterscheidbarkeit dieser Regierungsform macht Angst vor vier weiteren Jahren Innovationsstillstand und das in einer Zeit, in der die EU in den kommenden Jahren vor genauso großen politischen Herausforderungen steht wie die gesamte Menschheit in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts vor der größten sozialökologischen Transformationsaufgabe ihrer Zivilisationsgeschichte. Könnte es da ein unmöglicheres Ergebnis der BTW geben, als die Aussicht eines FDP-Finanzministers oder gar einer einschläfernden Großen Koalition? Wen wundert es da eigentlich noch, wenn ökologische Fehlentscheidungen neuen Höhen entgegen galoppieren?

Politik stellt nicht die Klimafrage

So wurde im Land Berlin die BTW nicht etwa zu einem Referendum über nachhaltige Verkehrskonzepte ausgerufen, sondern mit einem Volksentscheid über die Offenhaltung des Flughafens Tegel verbunden. Im Sommer 2017 standen dadurch so „wichtige“ Themen wie die schnelle Erreichbarkeit des innerstädtisch gelegenen Flughafens im Mittelpunkt. Es wurde die Anzahl der insgesamt möglichen Starts und Landungen diskutiert, anstatt über den Ausbau des Schienenverkehrs zu sprechen. Zugleich versperrte im ersten Halbjahr 2017 ein negatives Gutachten den nachhaltigen Umbau des Berliner Straßennetzes in Richtung eines zunehmenden Fahrradwegeanteils. Demnach gibt es derzeit keine rechtliche Grundlage, um entlang der Berliner Hauptverkehrsstraßen zeitnah in größerer Anzahl Fahrradwege auszuweisen. Gefordert wurden von einem Bürgerbegehren zunächst immerhin 350 Kilometer – die Straßenverkehrsordnung aber ist ein Relikt der Mobilitätsbedürfnisse der 1950er Jahre und erlaubt diesen Schritt nur in äußerst begrenztem Umfang.

Hat irgendjemand im zu Ende gehenden Kalenderjahr irgendwo Streitgespräche über die Klimaverträglichkeit unseres gesellschaftlichen Mobilitätsverhaltens gehört? Fehlanzeige!

Stattdessen klafft zwischen unserer gesellschaftlichen Realität und klimaschonenden Nachhaltigkeitsstrategien eine eklatante Wahrnehmungslücke. In vielen zentralen Bereichen unserer Lebensführung agieren wir viel zu selten mit Rücksicht auf die externen Effekte unseres Handelns. Das fängt beim Ernährungsverhalten ohne Bezug zu Region und Jahreszeit an, zieht sich über die Wahl unserer Urlaubsziele bis hin zu einmal im Leben-Fragen wie der „richtigen“ Wahl unserer Wohnsituation. Immer noch werden in deutschen Landen Tag für Tag exorbitant viele Flächen versiegelt und hat das Bauen mit Holz und nachwachsenden Rohstoffen hierzulande einen ähnlich hohen Stellenwert wie der Verzehr von Heuschrecken zum Mittag.

Multiplikator Mittelstand

Dieses Missverhältnis aus Machbarem und Müßiggang ist für uns als Mittelständler in zweiter Generation Herausforderung und Verpflichtung zugleich.

Als Autohaus können wir nicht im Alleingang die Verkehrswende gestalten – im Gegenteil, bedeutet der vor uns liegende Weg betriebswirtschaftliche Herausforderung und unternehmerische Unwägbarkeit zugleich. Aber als Multiplikator für Individualmobilität können wir helfen, unsere Kunden in ihrer Rolle als Autofahrer dafür zu sensibilisieren, stärker über das eigene Mobilitätsverhalten nachzudenken.

Wir vom Autohaus Golbeck sind fest überzeugt, dass technisch bereits heute Machbares nur dann schneller in neue Mobilitätskonzepte (Multimodalität) überführt werden kann, wenn wir im intensiven Dialog mit unseren Kunden dafür sensibilisieren. „Wir“ – das sind idealer Weise ALLE Autohäuser (zunächst) in ganz Deutschland. Wir Werkstätten bieten den Bürgern Deutschlands, Lösungen für Ihre Individualmobilität. Heute konventionell. Morgen nachhaltig. Daher lässt sich nirgends zielgenauer herausfinden, wie der Verkehr von Morgen aussehen könnte, als in der Praxis unserer sich rapide verändernden Branche. B2C & B2B müssen dafür viel stärker als bisher zu einer gemeinsamen Handlungslogik verknüpft werden. Elektromobilität ist sicher nur der erste Schritt, wenngleich ein Anfang.

Verantwortung als Corporate Citizen

Für unseren kleinen Kfz-Meisterbetrieb, der seit seinen Trabant-Zeiten in der früheren DDR fest im Berliner Boxhagener Kiez verankert ist, soll dieser Blog ein kleiner Schritt sein, auf dem langen Weg der für unsere Gesellschaft vor uns liegt. Unser neuer Blog „Nachhaltige Mobilität“ ist aber auch ein weiterer Ausdruck unseres Selbstverständnisses unternehmerische Verantwortung zu übernehmen. Seit Jahrzehnten tun wir das als Ausbildungsbetrieb und bereits vor der Wende verfügten unsere ersten vier Trabant-Arbeitsplätze über ein aktives Ölabscheide-System, das damals nicht gesetzlich vorgeschrieben war. Unsere Verbrauchsmaterialien versuchen wir aus nachhaltigen Quellen zu beziehen und die Reduktion unseres Stromverbrauchs ist uns ein Anliegen.

Alles in allem gibt es mit Sicherheit andere Unternehmen, die auf dem Weg einer ökologischen Verantwortungsübernahme bereits schneller vorangeschritten sind. Als kleiner Betrieb in einer Branche mit niedrigen Margen und einer sich rapide verändernden Marktsituation handeln wir aber nach bestem Wissen und Gewissen. Zunächst einfach nur, indem wir Fragen stellen, bspw. der nach unseren Lieferketten. Auf diese haben wir praktisch keinen Einfluss und können daher ab einem bestimmten Punkt weder die sozialen noch die ökologischen Nachhaltigkeitsbedingungen unseres Kerngeschäfts optimieren. Umso wichtiger ist es mir, Dr. Christoph Golbeck, als Inhaber in zweiter Generation und Multiplikator für Mobilität aktiv in die gesellschaftliche Debatte einzugreifen.

Darum erhebe ich in diesem Blog ab jetzt meine Stimme.

Wie ich es bereits zuvor an dieser Stelle formulierte: Als ausgebildeter Politikwissenschaftler erachte ich es als meine Pflicht, nicht nur den Generationswechsel in unseren Berliner Kfz-Meisterbetrieben zu gestalten. Genauso wichtig ist es für mich, diese Insiderperspektive zu nutzen, kritisch hinter die wenig auf Dauer gestellten Kulissen unserer Branche zu schauen.