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Verantwortung und Verkehr

Machen wir es uns einfach oder akzeptieren wir, dass es auf komplexe Fragen keine einfachen Antworten gibt? Übernehmen wir Verantwortung für den nachhaltigen Umbau unseres täglichen Mobilitätsverhaltens? Wir haben die Wahl.

 

Mobilität geht uns alle an. In einer immer stärker arbeitsteiligen Gesellschaft werden heute nicht nur hohe Flexibilitätsanforderungen an industrielle Wertschöpfungsprozesse gestellt. Just in time sollen immer öfter auch Arbeitnehmer und Humane Ressourcen abrufbar sein. Ob solcherlei „Immerverfügbarkeitsversprechen“ für Menschen auf Dauer mit einem gesunden Lebenswandel vereinbar sein können, ist die eine Frage. Eine andere Frage betrifft die dadurch stark erweiterten Mobilitätsanforderungen einer zunehmend großen Anzahl von Bürgern.

 

Gestiegene Mobilitätsanforderungen

Menschen müssen schneller und öfter unterwegs sein. Sie werden in einer hektischen Marktgesellschaft oft sehr kurzfristig „gebucht“ und können ihre Fahrten wenig planen. Entsprechend ist die Anzahl der jährlichen PKW-Neuzulassungen in Deutschland in der vergangenen Dekade von 3,15 Millionen im Jahr 2007 auf 3,44 Millionen im vergangenen Jahr gestiegen. Während diese Zahl zwischenzeitlich sogar unter die Schwelle von 3 Millionen Kraftfahrzeugen gesunken ist (2010, 2013) wird für das laufende Kalenderjahr 2018 inzwischen sogar ein weiterer Anstieg auf dann 3,6 Millionen Einheiten prognostiziert (Besitzumschreibungen nicht gezählt; Quelle: Statistisches Bundesamt, Abrufdatum 27. Februar 2018).

Jeder Bürger der über seine Rolle als nachhaltig verantwortungsvoller Teilnehmer im Straßenverkehr nachdenkt, sollte daher bei der Wahl seines Verkehrsmittels, genau überlegen, welches Fahrzeug er zu welchem Zeitpunkt verwendet. Die Wahl zwischen ökologisch verantwortungsvollen Vehikeln auf der einen und vermeintlich komfortablen (Kraft-) Fahrzeugen auf der anderen Seite stellt sich dabei gerade auf der Kurzstrecke. Bis zuletzt hatten wir dabei oft nur die Wahl zwischen öffentlichem Nahverkehr und privatem PKW mit konventionellem Antrieb.

Inzwischen gibt es Elektroautos. Gleichwohl wurden im Jahr 2017 nur ganze 25.056 PKW als reine Elektrofahrzeuge zugelassen, gerechnet auf die Millionenstückzahl der Gesamtzulassungsstatistik ist das ein verschwindend geringer Wert. Dazu kommt der Knackpunkt der Stromerzeugung. Während Elektroautos bereits an und für sich ein schwieriges, also nicht nachhaltiges Verhältnis zwischen Ressourceneinsatz und Personenkilometern mit sich bringen, hängt die wirkliche Emissionseinsparung für den Fahrbetrieb entscheidend von der Art der Stromerzeugung ab. Gerade in Deutschland, wo ein großer Teil der erzeugten Energie aus der Kohleverstromung stammt, reicht es also nicht, sich „nur“ für ein Elektroauto zu entscheiden. Siehe dazu in größerer Detailliertheit auch den aktuellen Beitrag von Sebastian Viehmann auf Focus Online (Elektroautos: Deutschland verdoppelt Marktanteil – Stromer-Absturz in den Niederlanden“, Abrufdatum 27. Februar 2018).

 

Bewusst für Mobilität entscheiden?

In einer solchermaßen beschleunigten Welt, in der sich Elektroautos als echte Mobilitätsalternative nur ganz langsam zu einem echten Massenmarkt entwickeln, wird es noch für viele Jahre auf unsere „bewussten Mobilitätsentscheidungen“ ankommen. Das bedeutet, wir müssen uns als nachhaltig denkende Bürger an jedem Tag und für jede einzelne, geplante Fahrt ganz bewusst für das jeweils ressourcen-schonendste Beförderungsmittel entscheiden.

 

Der Autor auf dem Werkstatt-Lastenfahrrad im Sommer 2017

 

Natürlich muss die Verkehrswende auch politisch gestaltet werden. Ohne Frage können Bürger sich immer nur im Rahmen der örtlich jeweils vorhandenen Verkehrsinfrastrukturen (um-) entscheiden, welche Mobilitätsform zum jeweils richtigen Zeitpunkt (aus ökologischen Gesichtspunkten) gerade auszuwählen ist. Dabei spielen viele Entscheidungen sowohl der Kommunal- (lokale Geschwindigkeitsbegrenzungen, u. a.) als auch der Landes- und Bundespolitik zusammen genauso wie juristische Entscheidungen (Dieselfahrverbote). Aber nichts kann darüber hinwegtäuschen:

 

Wir haben die Wahl: Intermodalität als Gestaltungsspielraum!

Als passionierter Radfahrer möchte der Autor dafür werben, einfach an jedem einzelnen Tag sehr viel genauer als bisher abzuwägen, für EXAKT WELCHEN WEG WELCHES VERKEHRSMITTEL angemessen zu wählen ist. Eine Strecke die an einem regnerischen Tag ggf. am effizientesten mit dem Auto (heute konventionell, morgen im elektrisch angetriebenen Modell) zurückzulegen ist, kann an einem anderen Tag idealerweise komplett emissionsfrei mit dem Fahrrad erfolgen. Wer bei einer Abendveranstaltung auch das eine oder andere Glas trinken wird, erwägt eher den öffentlichen Nahverkehr und überhaupt lassen sich einige Fahrradtypen (Klapprad, Roller) auch sehr gut mit dem ÖPNV kombinieren.

Genau hier liegt unser Gestaltungsspielraum, um den nachhaltigen Verkehr von Morgen HEUTE in die Tat umzusetzen. Wir müssen nicht darauf warten, bis im Jahr 2020 (sicher noch keine) 1 Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen unterwegs sind. Mit jeder bewusst ausgewählten Fahrt begrenzen wir unseren täglichen Anteil am Klimawandel. Das Stichwort dafür heißt „Intermodalität“. Es bezeichnet das effiziente wie effektive Vernetzen von alternativen Verkehrsmitteln. Wir sind dergestalt immer wieder vor die Wahl gestellt, zwischen dem jeweils schnellsten oder komfortabelsten, zwischen dem effizientesten oder dem ökologistischen Verkehrsmittel zu wählen.

Schon heute können wir mit einem so bewusst gestalteten Mobilitätsverhalten zur Eindämmung des Klimawandels beitragen. Würde sich jeder mobile Bürger mit Bedacht auch nur bei einer kleineren Anzahl seiner regelmäßigen Mobilitätsentscheidungen für eine nachhaltige Lösung entscheiden, könnten alleine in Berlin jährlich viele Millionen Tonnen CO2-Emmission vermieden werden, denn Elektroautos sind keine „Heilsbringer“, wie der Psychologe Rüdiger Hossiep im Interview betont. (ZEIT ONLINE, Abrufdatum 06. März 2018).